Insgesamt Berichte Februar – Mai 2015 fortlaufend
(Bericht Dezember 2014 / Januar 2015 siehe 2014)
Monatsbericht Lubaga Hospital Februar 2015
Anfang Februar ging es bei uns in Kampala drunter und drüber. Seit Mitte Dezember hatte Florian sein Arbeitsvisum, aber Marions endgültiges Visum lies weiter auf sich warten. Eigentlich denkt man ja: „…freiwillige Arbeit, kostet den Staat nichts, bringt Geld ins Land, bildet unsere Leute kostenlos aus….also Stempel drunter und viel Spaß!“. Ganz so ist es leider nicht. Von verschiedenen Seiten wurde uns berichtet, dass man es als Europäer gar nicht erst probieren soll, selbst an sein Arbeitsvisum zu kommen, da die treuen Staatsdiener eigentlich nur arbeiten, wenn man zusätzlich bezahlt oder wenn massiver Druck von oben kommt. Also haben wir bereits im August eine kleine Ein-Mann-Firma engagiert, welche angeblich regelmäßig Visaanträge im Auftrag internationaler (und besonders deutscher) NGOs bearbeitet.
Kurz nachdem wir Anfang Januar aus Deutschland zurückgekehrt waren, haben wir uns erneut mit unserem Visa-Bevollmächtigten getroffen und ihm Marions Pass und die Gebühren für ihr endgültiges Visum gegeben. 3 Wochen passierte erst einmal nichts. Anfang Februar wurden wir doch so langsam unruhig. Unser „Visa-consultant“, also der Herr, der sein Geld eigentlich damit verdient, für andere Leute, NGOs und Firmen Behördengänge zu erledigen und in Ugandas Behördendschungel Anträge durchzuboxen, war über Tage nicht zu erreichen.
Im Grunde genommen hätte uns das nicht weiter gestört, hätte er nicht Marions Pass bei sich gehabt und liefe nicht ihr 2. „special pass“ am 7.2. aus. Nachdem wir besagten Herren endlich telefonisch erreichen konnten, eröffnete uns dieser höchst freimütig, dass das mit Marions Jahresvisum noch nichts wird und dass wir bitte einen dritten „special pass“ beantragen sollen.
Diese so genannten „special passes“ sind Kurzzeit-Visa, gelten immer für 2 Monate und kosten 200 US-Dollar pro Stück. Im Laufe der Zeit hatte bereits jeder von uns 2 „special passes“ kaufen müssen und damit neben dem initialen Touristenvisum, den Gebühren für Florians Arbeitsvisum und den Bearbeitungsgebühren für unseren „Consultant“ reichlich Finanzmittel im hiesigen Innenministerium versenkt.
Während der telefonischen Debatte mit unserem gutbezahlten Sonderbeauftragten für Einwanderungsfragen ergab sich, dass eine erneute „special pass“-Gewährung keinesfalls sicher ist und dass es gut sein kann, dass der Antrag abgelehnt wird, da zwei Verlängerungen eigentlich nicht vorgesehen sind. Wir sollten uns aber keine Sorgen machen, er würde den Pass einfach behalten bis das endgültige Visum durch sei.
An dieser Stelle fiel uns erst einmal die Kinnlade herunter. Unser „Visa-Spezialist“ hatte im Ernst vorgeschlagen, dass Marion einfach ohne gültiges Visum und ohne Pass weiter arbeiten soll, bis er seine Sachen geregelt hat.
Bei der darauf folgenden Diskussion tauchte irgendwann die Frage auf, warum Marions Visum, welches eigentlich eine Art „Ehegatten-Visum“ sein sollte, denn immer noch nicht fertig war, wo doch Florians wesentlich aufwendigere Arbeitserlaubnis bereits seit 6 Wochen eingetragen war. Hierzu bekamen wir zunächst nur eine Art achselzuckendes: „Ist halt so.“ Das änderte sich jedoch schlagartig als Marion dem Herren verkündete, dass sie ihren Antrag zurückzieht und somit ihren Pass und die angezahlten Gebühren zurück haben möchte.
Nun wurde unser „Consultant“ so langsam still und erklärte, dass er Marions Visagebühren für etwas anderes ausgegeben habe, dass er uns aber „sofort auszahlen werde, sobald ihn ein anderer Kunde bezahlt hätte.“ An dieser Stelle wurden sowohl von Marion, als auch von Florian sämtliche interkulturellen Höflichkeitsfloskeln über Bord geworfen und der Herr hat den wahrscheinlich tiefsten Einlauf seines Lebens bekommen. Seltsamerweise schien ihm jedoch bis zum Schluss nicht ganz klar zu sein, warum wir wegen der veruntreuten Gelder so einen Wind machen, schließlich hat er uns ja angeboten, die Gelder zu erstatten, sobald jemand anderes zahlt. Dass er uns erstens in eine schwierige rechtliche Lage (ablaufendes Visum, kein Pass) gebracht hat, zweitens unverhohlen über unsere Gelder verfügt („dann beantragt doch halt noch eine „special pass“-Verlängerung für noch einmal 200$“) und drittens letztendlich dafür gesorgt hat, dass Marion rechtlich hier nicht mehr arbeiten darf, ist ihm glaube ich bis heute nicht richtig klar.
Nachdem er Marion relativ kleinlaut ihren Pass zurückgebracht hatte, sind wir am 7.2. mit dem Auto nach Kenia gefahren. Da wir ohnehin ausreisen mussten, haben wir die Gelegenheit genutzt und in Nairobi und Kilifi alte Freunde besucht. Dabei ergab sich ein Treffen mit einem jungen Kinderarzt aus Liverpool, welcher uns und dem Lubaga Hospital insgesamt über 30 Gigabyte an digitalen, frei verfügbaren, aber wegen der hiesigen Downloadgeschwindigkeit nicht immer zu bekommenden Medizinartikeln aus unterschiedlichsten Fachgebieten zur Verfügung stellte.
Die Rückreise nach Uganda gestaltete sich aufgrund einer kleinen Autoreparatur etwas verzögert, aber zumindest hatte Marion ihr neues 3-Monats-Touristenvisum, mit welchem sie erst mal bis Anfang Mai bleiben darf, dann sehen wir weiter.
Nach unserer Rückkehr bedurfte es noch einmal über 2 Wochen mit mehrfachen Anrufen, Emails, SMS und dem wahrscheinlich gefährlichsten Anpfiff, den hier ein Mann von einer Frau kassiert hat, bevor unser lieber Visa-Freund Marion ihr Geld wiederbringen ließ. Er selbst bewies nicht den Mut, Marion noch einmal unter die Augen zu treten.
Zurück im Lubaga hatte bereits die erste Typhus-Welle zugeschlagen. Während Florian weg war hatte Mr. Okello bereits 4 Patienten mit Darmperforationen notfallmäßig operiert, und in den folgenden eineinhalb Wochen kamen noch einmal 6 Patienten dazu. Wo genau in der Stadt der Typhusausbruch seinen Ursprung nahm, konnte angeblich nicht sicher geklärt werden, wurde aber von den Behörden auch nicht groß weiter verfolgt. Zumindest war bisher niemand bei uns und hat die Fälle aufgearbeitet. Glücklicherweise sind bereits fast alle „Typhusperforationen“ wieder entlassen und die Lage hat sich entspannt.
In dem Zusammenhang hat uns Dr. Bosco, unser Chefinternist erzählt, dass über Weihnachten ein Patient ganz elendig an Tetanus gestorben ist. Als er von den aktuellen Impfdebatten in Deutschland gehört hat, hat er nur die Hände überm Kopf zusammen geschlagen.
Zusätzlich zu den Visa- und Typhusgeschichten mussten wir feststellen, dass leider das Mesh-graft Gerät, welches uns freundlicherweise von der Diözese Rotenburg-Stuttgart gestiftet worden war und welches wir nach Weihnachten extra aus Holland abgeholt hatten, um hier schwere Verbrennungen und andere Verletzungen zu operieren, technisch defekt war. So wurde uns (nach erfreulich unkomplizierter Kommunikation) ein Ersatzgerät geschickt, mit welchem wir in der ersten Märzwoche die erste ausgedehnte Transplantation durchgeführt haben.
Ende Februar sind wir erstmals über ein besonders schwieriges politisches und kulturelles Thema in Uganda gestolpert. Sonntag früh kam ein junger Mann humpelnd in die Klinik. Er beklagte starke Schmerzen im linken Bein da er vor vier Tagen gestürzt sei. Im weitergehenden Gespräch ergab sich, dass es sich bei „ihm“ um eine transgender (transsexuelle) Frau handelt, welche schon seit langem eine Selbsthilfegruppe für transsexuelle Frauen in Kampala leitet.
Transsexualität und Homosexualität werden in Uganda gleichgesetzt und sind, trotz der Annullierung des berüchtigten „Anti-Schwulen-Gesetzes“ Anfang August 2014, gesetzlich verboten und in der Bevölkerung extrem stigmatisiert. Sie („er“) erzählte Florian, dass sie vor 4 Tagen von der Polizei verhaftet worden war wegen angeblicher „promotion of homosexuality“ und diese von ihr über 2000€ an Bestechungsgeld für ihre „Freilassung“ gefordert hätten. Sie hätten ihr damit gedroht, sie ins städtische Gefängnis zu bringen und den Wärtern dort zu erzählen, dass sie ein Homosexueller sei. Ohne Geld und/oder politischen Einfluss kann es hier Jahre dauern bis ein Fall aus der Untersuchungshaft überhaupt bearbeitet wird und da Fälle die Homosexuelle und/oder Transgender betreffen eher ungern verhandelt werden, wandern die Akten eher nach unten als nach oben.
Da es keine Möglichkeit für sie gab das geforderte Geld aufzutreiben, sah sie sich Monaten, wenn nicht gar Jahren im Gefängnis mit Erniedrigungen, Misshandlungen, Hunger und Kälte gegenüber. Wer einmal ein ostafrikanisches Gefängnis besucht hat, weiß wovon ich spreche. „Homosexuelle“ sind in den hiesigen Gefängnissen quasi rechtlos und es herrscht eine allgemeine Überzeugung, dass sie die unmenschliche Behandlung „verdient haben“.
Als sie ein Polizist aus der Zelle auf die Latrine begleitete, wurde sie über einen Balkon im 2. Stock geführt. Aus der tiefen Verzweiflung und der Überzeugung, eher zu sterben als ins Gefängnis zu gehen, sprang sie vom Balkon. Sie überlebte ihren Sturz und konnte sogar vor der sie verfolgenden Polizei flüchten. 4 Tage versteckte sie sich bei einem Freund, bis sie die Schmerzen in die Klinik trieben. Glücklicherweise ist ihrem Bein bis auf einige Verstauchungen und Muskelfaserrisse nicht viel passiert, aber die ganze Geschichte hat uns wieder gezeigt, wie weit Uganda noch von einem funktionierenden Rechtssystem und einer offenen Bevölkerung entfernt ist. Selbst einige Krankenschwestern im Lubaga waren in anschließenden Gesprächen der Ansicht, dass „Homosexuelle“ allesamt für immer ins Gefängnis gehören (oder noch schlimmeres).
Mit nachdenklichen Grüßen in die Heimat
Marion und Florian Hugenberg
Monatsbericht März/April 2015
Wie schon im Februarbericht geschrieben, litt Kampala bis vor kurzem unter einer heftigen Typhus-Epidemie. In der Zwischenzeit hat sich laut lokalen Zeitungen gezeigt, dass die Neuninfektionen von einigen lokalen Märkten, sowie von den zentralen Busbahnhöfenausgegangen sein sollen. Ein Vertreter des Gesundheitsministeriums ist dazu im März in die Klinik gekommen und hat sich unsere OP-Zahlen angeschaut. Laut lokalen Medien hätten Vertreter des Gesundheitsministeriums auf einigen Märkten Lebensmittel vernichtet und einige Desinfektionsmittelspender aufgestellt. Mittlerweile ist die Epidemie abgeflaut und wir sehen nur noch selten Typhusfälle. Das Grundproblem der mangelhaften Hygiene, ins Besondere in den Gegenden, in denen sich täglich tausende Menschen aufhalten wie dem Old Taxi Park oder den großen Märkten, ist weiterhin ungelöst. Angeblich arbeitet die neue Besetzung der Kampala City Council Authority fieberhaft an der Verbesserung, im Moment mangelt es aber weiterhin an ausreichend öffentlichen Toiletten mit funktionierenden Möglichkeiten zum Hände waschen.
Interessanterweise war die Klinik für Chirurgie am stärksten betroffen. Es müssen in der Stadt zwar Tausende wegen Typhussymptomen antibiotisch behandelt worden sein, ins Krankenhaus kommt man aber erst, wenn Perforationssymptome wie massive Schmerzen und Peritonismus bestehen. Dies liegt zum einen an der Tatsache, dass Behandlungen in Privatkliniken relativ teuer und für viele Menschen existenzgefährdend sind, zum anderen an der Furcht vor den staatlichen Kliniken, in welchen zwar jeder Patient aufgenommen wird, die Qualität und Geschwindigkeit der Behandlung aber ganz extrem vom Wohlwollen der Ärzte und Schwestern, sowie von den Schmiergeldzahlungen des Patienten abhängt. Das Lubaga Hospital kann durch seine kirchliche Trägerschaft und durch die Vielzahl an Geld- und Sachspenden im Raum Kampala die günstigsten Preise anbieten, dennoch kommt es auch bei uns vor, dass Familien die Klinikrechnungen nicht stemmen können und Mittel aus dem „poor-patients-fund“ benötigen.
Im März und April haben wir 2 Lieferungen mit Laparoskopie-Materialien von Sr. Sabine Pühl aus Calw bekommen. Die insgesamt mehr als 50 Zangen, Scheren, Kabel, Nadeln und andere Instrumente wurden zügig von Sr. Margret entgegen genommen, registriert und mit einer Hospitalnummer versehen. Initial hatten wir geplant, mit der ersten diagnostischen Laparoskopie Anfang Mai zu beginnen, jedoch traten in den Verhandlungen mit der Firma, welche dem Hospital einen Laparoskopie-Turm zur Verfügung stellen wollte, erhebliche Schwierigkeiten auf. Im Vertragswerk wurde die monatliche Mindestabnahme von Verbrauchsmaterialien für 3 laparoskopische Operationen festgeschrieben. Was sich zunächst nicht viel anhört, wurde von der Firma mit 6000 US$ festgelegt. Die Annahme des Vertrages hätte bedeutet, dass das Krankenhaus über 60 Monate monatlich mindestens 6000$ für laparoskopische Verbrauchsmaterialen ausgeben soll. Diese Summe ist weder gerechtfertigt, noch sehen wir eine Chance das Geld durch Operationen wieder herein zu bekommen. Wir sind trotzdem weiterhin davon überzeugt, dass es Sinn macht auch ärmeren Patienten laparoskopische, sprich minimalinvasive Operationen anzubieten.
Ich habe vergangenen Samstag in der Nacht einen 8 Jährigen mit einem Blinddarmdurchbruch operiert. Aufgrund der Peritonitis und der nicht ganz klaren Klinik habe ich eine Medianlaparotomie (großen Mittelbauchschnitt) gemacht. Dem Jungen geht es gut, trotzdem wäre es sehr viel schöner gewesen, wenn ich zumindest eine Bauchspiegelung hätte machen können. Doch auch hier ist Hilfe in Sicht. Sr. Sabine konnte bereits einen alten Laparoskopieturm „sicherstellen“, welchen wir gern bald nach Kampala schicken lassen würden. Zwar muss die Lichtquelle erneuert werden, hier hat aber die Klinikleitung schon klar gemacht, dass dafür Gelder zügig bereitgestellt werden könnten.
Beim Thema Endoskopie (Magen- und Darmspiegelung) haben sich die Zahlen nach der Neuanschaffung des Endoskopieturmes wie erwartet entwickelt. Von 4 Patienten im Dezember sind die Zahlen auf 25 Patienten im März angestiegen, mit stetig steigender Tendenz. Da es nur wenige Endoskopieeinheiten in Kampala gibt, bekommt Mr. Okello mittlerweile Patienten von anderen Ärzten zugewiesen. Die niedrigen Preise des Lubaga (eine Magenspiegelung kostet ca. 70€, eine Darmspiegelung momentan 90€) sorgen zudem für steigende Patientenzahlen.
Darüber hinaus kommt die Sanierung der Stationen sehr gut voran. Die internistische Station ist bereits renoviert und dient zurzeit als internistisch-chirurgische Mischstation. Im Moment wird die chirurgische Station renoviert und kann hoffentlich Ende Mai wieder bezogen werden.
Auch die Spende des Elektrodermatomes mit Mash-graft-Walze zur Hauttransplantation bei Verbrennungen hat sich bereits bezahlt gemacht. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten aufgrund eines defekten Dermatom-Motors, Rücksendung in die Niederlande, Leihgerät und Reparatur, konnte das Gerät bereits mehrfach eingesetzt werden. Bei einem älteren Herrn konnte eine schwierige Wunde an Vorfuß und Unterschenkel, welche durch eine Verbrühung entstanden war und mit welcher er bereits seit mehreren Monaten kämpfte, zur Abheilung gebracht werden. Anfang März konnten wir zudem endlich den Patienten transplantieren, für welchen wir das Gerät im Dezember bei der Diözese Rottenburg-Stuttgart beantragt und bewilligt bekommen haben. Dieser Patient, ein ca. 30 jähriger Mann, hatte eine schwerste Weichteilinfektion des gesamten linken Beines („nekrotisierende Fasziitis“), bei welcher Mr. Okello und ich radikal sämtliche Haut, das Fett, sowie die kompletten Muskelfaszien des linken Beines vom Vorfuß bis zum Gesäß wegschneiden mussten. Es war bereits ein Wunder, dass er diesen Infekt und die ersten Operationen überlebt hat und nun heilten die Wunden so gut, dass eine Transplantation möglich schien. Anfang März, nachdem das Leihgerät eingetroffen war und ausreichend Blutkonserven besorgt werden konnten, wurde der Patient in einer 6-Stunden Operation Haut-transplantiert. Zunächst erholte er sich von der Operation ganz gut, im weiteren Verlauf zeigten sich jedoch dann doch die Limitierungen in einem ostafrikanischen Krankenhaus. Ein extremes Problem waren von Anfang an die Ernährung und die Mobilisation. Ein Patient mit derartigen Wundverhältnissen benötigt eine extrem hohe Zufuhr an Kalorien und Proteinen, sowie Spurenelemente und Vitamine. Zudem benötigt er tägliche, intensive Mobilisation durch Schwestern und Physiotherapeuten. Dieses für den Patienten zu gewährleisten war ein täglicher Kampf. Die Pflege und Ernährung in ostafrikanischen Krankenhäusern wird im Wesentlichen durch die Angehörigen gewährleistet. Da die Angehörigen dieses Patienten nicht sehr häufig zu Besuch kamen und auch sonst nicht viel mit ihm zu tun haben wollten, war er zum Teil auf das Wohlwollen der Schwestern und auf die Mittel des „poor-patient-funds“ angewiesen, mit welchen sich jedoch unter den hiesigen Bedingungen keine ausreichend proteinreiche Ernährung sichern lies. Auch die Mobilisation gestaltete sich extrem schwierig, da der verantwortliche Physiotherapeut regelmäßig die Behandlung verweigerte bzw. einfach nicht zur Arbeit kam, was ihn im April auch seinen Job gekostet hat. Obwohl die Transplantate relativ gut abheilten, ist der Patient leider Mitte April an einer fulminaten Lungenembolie verstorben. Es ist natürlich nicht gesagt, dass der Patient in einem deutschen Krankenhaus überlebt hätte, zumal die Tatsache, dass er die ersten 4 Wochen überlebt hatte, einem kleinen Wunden gleicht, trotzdem zeigten sich hier wieder die riesigen Unterschiede zwischen den medizinischen Realitäten. In einem deutschen Krankenhaus ist es kein Problem für ausreichend Essen, Proteindrinks, 2-stündliche Infusionen, Elektrolytausgleich, Thromboseprophylaxe und intensive Mobilisation zu sorgen, aber hier gestaltet sich die intensive und langfristige Behandlung Schwerstkranker noch sehr schwierig. Trotz des Todes des Patienten an einer schweren, akuten Komplikation, wird der Behandlungsverlauf von den meisten Mitarbeitern als sehr positiv bewertet. Für viele Schwestern war es das erste Mal, dass sie erlebt haben, dass auch ein Patient mit einer derart schwierigen Wunde überleben und wieder gesund werden kann, wenn alle an einem Strang ziehen.
Privat haben wir uns über Ostern mit unserer Familie in Kenia getroffen und eine tolle Safari und ein paar Tage am Strand verbracht. Zudem wurde am 15. April das neue Buch von Klinikpfarrer Dr. Wolfgang Raible aus dem Marienhospital Stuttgart, „Beistand bis zuletzt“ in welchem Marion das Kapitel „Physiotherapie in der Palliativmedizin“ geschrieben hat im Herder-Verlag veröffentlicht. Das Kapitel hat sie neben ihrer klinischen Arbeit hier in Uganda geschrieben.
Darüber hinaus fangen wir so langsam an unsere Rückkehr nach Deutschland für Mitte Juni zu planen. Die Physiotherapieabteilung hat bereits eine neue Kollegin bekommen, für Florian gibt es bisher noch keinen Ersatz. Mr. Okello würde sich nochmal einen deutschen Austauschkollegen wünschen, jedoch sind die politischen Rahmenbedingungen für jegliche Form des Austausches extrem schwierig geworden, nachdem die Gebühren für Arbeitsvisa im März auf 2500 US$ im Jahr angehoben worden sind. Da diese auch für Volontäre gelten, muss es als staatlicher Wunsch Ausländer fern zu halten verstanden werden. Da Museveni auch 2016 bei den Präsidentschaftswahlen antreten wird und sehr klar gesagt hat, dass er nicht vor hat diese Wahl zu verlieren, ist in absehbarer Zeit nicht mit einem Politikwechsel zu rechnen. Warum der Staat versucht Ausländer fern zu halten, darüber können wir nur mutmaßen. Die in der Medizin tätigen Ugander mit denen wir uns über das Thema unterhalten haben, sind überhaupt nicht begeistert von diesem Schritt, da sie befürchten, dass es ohne Volontäre und Austausch faktisch zu einem medizinischen Entwicklungsstop kommen wird, der niemandem nutzen wird. Hier wird die Politik gefragt sein, positiv auf die ugandische Führung einzuwirken.
Mit herzlichen Grüßen aus Kampala,
Marion und Florian Hugenberg
Monatsbericht Mai 2015 Lubaga Hospital
So langsam neigt sich unser Jahr in Ostafrika dem Ende. Vergangene Woche haben wir unsere Rückflüge nach Deutschland gebucht und unser Auto zum Verkauf angeboten. Florians Kollege Dr. Okello hat die Gelegenheit genutzt und noch schnell 2 Wochen Urlaub genommen, bevor er Ende Juni wieder allein im Dienst sein wird. Es ist unglaublich, wie schnell dieses Jahr vergangen ist und was wir in der Zwischenzeit alles gesehen und erlebt haben. Es kommt uns vor, als hätten wir erst gestern unsere Sachen hier ausgepackt und nun überlegen wir schon, was wir denn alles mitnehmen wollen.
Im Lubaga Hospital ist seit Anfang Mai Dr. Andrew der neue Executive Director, und Dr. Adolf bereitet sich ebenfalls auf seine Rückkehr nach Deutschland vor. Dr. Andrew ist sehr nett und möchte auf jeden Fall den guten Kontakt nach Deutschland weiter pflegen. Herr Fischer und Herr Vorreiter werden ihn ja in drei Wochen persönlich kennen lernen.
Mitte Mai haben wir von Sr. Sabine das heiß ersehnte ERBE-Gerät zugeschickt bekommen, welches wir auch gleich bei einer Tumoroperation eingesetzt haben. Dazu hat Adolf von seinem Besuch in Deutschland nochmals einen Stoß an Laparoskopiematerialen von Sr. Sabine mitgebracht, welche hier, sobald der Laparoskopieturm eingetroffen ist, kräftig genutzt werden können.
Abgesehen von den strukturellen Veränderungen, die Renovierung der chirurgischen Station kommt sehr gut voran, hat sich doch so langsam eine gewisse Arbeitsroutine eingestellt. Justine, die Ende April neu eingestellte Physiotherapeutin, macht sich sehr gut und wird in ihrer Einarbeitungsphase von Marion begleitet. Da Justine vorher im Wesentlichen mit Kindern gearbeitet hatte, hat Marion für sie Nachbehandlungsschemata für die häufigsten Operationen entworfen und hilft ihr bei den schwierigeren „Fällen“.
Florians Hauptaktivitäten haben sich kontinuierlich in Richtung Bereitschaften und Operationen entwickelt. Da auch die „Intern-Doctors“ (AiP) mittlerweile fast ein Jahr am Haus und somit etwas erfahrener in der täglichen Routine sind, wird ein Großteil der Stations- und Ambulanzarbeit von ihnen selbstständig erledigt. Florian kümmert sich somit im Wesentlichen um die Operationen und um die schwer kranken Patienten.
So hat Florian gestern ein dreieinhalb jähriges Mädchen mit über einem Liter Eiter im Bauch nach einer verschleppten Dünndarmperforation operiert. Das Mädchen, welches angeblich bei seinem Vater lebt und somit wahrscheinlich von einer Stiefmutter betreut wird, wog vor der OP knappe 13 kg und macht einen stark unterernährten Eindruck. Die 4-stündige Operation und die folgende Nacht hat sie zwar überlebt, aber da das Mädchen quasi keine Reserven hat, ist nicht klar, ob sie diese schwere Erkrankung mittelfristig überleben wird. Hier hilft nur, konsequent am Ball zu bleiben und auf ein Bisschen Hilfe „von oben“ zu hoffen.
Übermorgen soll noch einmal das gespendete Dermatom zur Hauttransplantation zum Einsatz kommen. Aufgrund einer Fehlübersetzung wurde im letzten Lubaga-Newsletter geschrieben, dass dieses von einer holländischen Klinik gespendet wurde, obwohl es von der Weltkirchlichen Abteilung der Diözese Rottenburg-Stuttgart gespendet und nur in Holland gekauft wurde. Wir bitten an dieser Stelle noch einmal um Nachsicht wegen der genannten Fehlübersetzung und möchten uns noch einmal für die Spende dieses extrem teuren, aber hilfreichen Materials bei Herrn Domkapitular Dr. Stäps, Frau Montero und Herrn Bielefeld bedanken.
Florian wird übermorgen versuchen, Haut auf eine komplette Hand mitsamt Unterarm zu transplantieren. Die Patientin erlitt schwerste Verbrühungen, als sie beim Kochen ohnmächtig wurde und ihre linke Hand und Unterarm in den Topf mit kochendem Wasser fiel und dort blieb, bis sie aus ihrer Ohnmacht erwachte. Dazu kam, dass sie ca. 3 Wochen lang von einem traditionellen Heiler behandelt wurde und nun alles entzündet und steif war. In einer ersten Operation hat Florian sämtliche tote Haut und Eiter entfernt und musste einen Finger bereits amputieren. Übermorgen wird er versuchen, soviel Haut wie möglich zu transplantieren um die Wunden schnell zur Abheilung zu bringen. Natürlich sind Hand und Finger weiterhin steif, aber Justine konnte durch intensive Physiotherapie bereits ein Bisschen Beweglichkeit zurück gewinnen. Wir hoffen das Beste.
In rund drei Wochen werden wir wieder in Deutschland sein und von dort unseren (vorerst) letzten Bericht aus Kampala verfassen.
Mit herzlichen Grüßen in die Heimat,
Marion und Florian Hugenberg